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Am 7. August 1898 erschien im „Helmbrechtser Anzeiger“ folgendes Inserat:

Geschäfts-Eröffnung u. –Empfehlung Einer geehrten Einwohnerschaft von hier und Umgebung zur gefl. Kenntnißnahme, daß ich im Hause des Herrn Joh. Ad. Popp, Hoferstraße 85, eine Flaschnerei errichtet habe. Ich halte mich in sämmtlichen in dieses Fach eingeschlagenen Arbeiten bestens empfohlen und sehe einem geneigten Zuspruch entgegen. Achtungsvoll Georg Fickenscher, Flaschner

Doch was steckte hinter dieser Anzeige? Der zwanzigjährige Flaschnergehilfe Johann Georg Fickenscher, Sohn des Webers Johann Julius Fickenscher, hatte die Webertochter Louise Margaretha Popp, geheiratet und im Anwesen seines Schwiegervaters Johann Adam Popp, heute Zum Schützenhaus 3, eine Flaschnerei gegründet. Die Urzelle des zwar kleinen, jedoch aufstrebenden Handwerksbetriebes lag aber im Anwesen Lämmergasse 165, heute Friedrichstraße 1. Der Großvater des Johann Georg Fickenscher, der Gemeindebevollmächtigte Christian Fickenscher, hatte dieses Eckhaus erbaut und im Erdgeschoss eine Werkstatt sowie eine Blechwarenhandlung eingerichtet. Im „Helmbrechtser Adreß- und Auskunftsbuch“ von 1894 erschien er als Klempner. Nach dem Verkauf des Anwesens Friedrichstraße 1 entstand darin das Versammlungslokal „Harmonie“.

Wie sah es in Helmbrechts aus, als vor einhundert Jahren am steilen Rangen von der tief eingeschnittenen Hofer Straße mit ihren Felsenkellern hinauf zur 1854 erbauten „Schießstätte“ eine Flaschnerei ihre Dienste anbot?

Es ging allenthalben aufwärts. Die Textilfabriken lockten viele Bewohner des Umlandes in das Städtchen, dessen Einwohnerzahl sich von 1819 bis 1900 um das Vierfache auf 4 855 erhöhte. Im Zeitraum von 1887 bis 1889 waren nicht weniger als 40 neue Wohnhäuser entstanden. Die 1844 im großen Brand untergegangene Ackerbürgerstadt hatte sich längst zu einer geschäftigen Industriestadt entwickelt und das Oval der ursprünglichen Siedlung mit ihren Fachwerkhäusern gesprengt.

Zwar rollte noch kein motorisierter Verkehr, an den Ortsausgängen wurde fleißig Pflasterzoll erhoben, doch die erneuerten Straßenzüge im Stadtkern waren bereits mit Trottoirs versehen. Schließlich wollte man den Namen „Luitpoldplatz“ und „Luitpoldbrunnen“ alle Ehre erweisen, beide widmete die Stadt 1891 dem Prinzregenten Luitpold von Bayern anlässlich seines 70. Geburtstages. Die alten Röhrkästen hatten ausgedient, 1889 floss das lebensnotwendige Element erstmals aus der Hochdruckwasserleitung.

Vor allem in Städten hatte der Mensch aufgehört, als die wichtigste Arbeitsmaschine zu fungieren, immer mehr bediente er sich der technischen Errungenschaften des eisernen Zeitalters. Im Zuge dieser Entwicklung tauchten – besonders im Berufsbild des Flaschners – zwei Begriffe auf, die über die Jahrhundertwende bis in unsere Tage hereinreichen: Installation und Haustechnik.

Dem Johann Georg Fickenscher, der früh verstarb, folgte sein Sohn Adolf als Geschäftsinhaber. Die Flaschnerei und das davor an der Hofer Straße gelegene Witzgallsche Haus, auf dessen Dach man bequem steigen konnte, bildeten für die Jugend im Viertel der „Hofer-Strässer-Gma“, vor allem in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, einen vertrauten Winkel. Adolf Fickenscher war ein fleißiger, „gamberer“ Handwerksmeister, seine Ehefrau Anna verwaltete das Hauswesen und das „Läidla“, in dem man vom „Kaffeetipfla“ bis zur Zinkbadewanne alles haben konnte.

Im Jahre 1958 wurde der Neubau des Wohn- und Geschäftshauses mit vergrößertem Warenangebot fertiggestellt. Nachfolger von Adolf Fickenscher war nun sein Sohn Rudi Fickenscher, der 1994 nach längerer Krankheit verstarb, liebevoll gepflegt von seiner Frau Edith.

Heute ist Rainer Fickenscher Firmenchef in vierter Generation. Auch seine Frau Helga und Sohn Thomas sind im Betrieb tätig.

Trotz aller Neuerungen und Erweiterungen ist die alte Werkstatt als Kernzelle des florierenden Betriebes erhalten geblieben. Da steht noch die „Vereinigte Maschine“, die Georg Fickenscher am 22. Juni 1898 bei der Eisengießerei und Maschinenfabrik Carl Kneusel in Zeulenroda zum Preis von 250 Mark bestellt hatte – bis heute voll funktionsfähig, niemals reparaturbedürftig, ein treuer „Veteran“ zum Kanten, Runden und Wulsten von Blech.

Wer die Werkstatt betritt, spürt eine wohltuende Atmosphäre, durchdrungen von Schweiß, aber auch von der Beständigkeit und dem Können der Generationen. Hier haben sich die Errungenschaften moderner Technik mit dem traditionellen handwerklichen Schaffen auf das trefflichste verbunden. Hier wird in Ruhe überlegt, mit Fleiß und Geschick gearbeitet, im wahrsten Sinne des Wortes Dienstleistung vollbracht für einen immer größer werdenden Kreis zufriedener Kunden.

Otto Knopf, 1998